Die Gemeinden sind mit der Vorbereitung der Gesuche enorm belastet. Die Verbindung dieser Flut an Gesuchen zum Inkraftsetzungszeitpunkt des RPG 1 ist offensichtlich.

Dem RPG 2 mangelt es an Klarheit. Und es kommt zu früh

22.11.2021
11 | 2021

Im Kanton Zürich ist die Anzahl der Baugesuche zwischen 2017 und 2019 stark gestiegen, 2021 mutmasslich auf fast 2500. Die Gemeinden sind mit der Vorbereitung der Gesuche gemäss RPG 1 also enorm belastet. Und nun ist bereits die nächste Revision geplant.

Das Raumplanungsgesetz 1 (RPG 1) gilt seit dem Jahr 2014. Neben der Etablierung des Grundsatzes der Trennung von Bau- und Nichtbaugebiet ging es insbesondere darum, Baulücken zu füllen und die Siedlungsentwicklung nach innen zu fördern. Mit dieser Verdichtung soll eine Reduktion des Bodenverbrauchs erreicht werden. Die Aufgabenstellung ist klar: Die kantonalen und kommunalen Richtpläne sind anzupassen, und als wichtigstes Instrument sollen durch die Kantone Mehrwertabgaben von 20 Prozent auf Neueinzonungen erhoben werden. Diese Abgabe dient zur Äufnung eines Fonds, der für die Entschädigung von Grundeigentümern bei Auszonungen zur Verfügung stehen, aber auch eine qualitativ hochstehende Siedlungsentwicklung unterstützen soll. Die Gemeinden haben mit dem RPG 1 ihrerseits die Möglichkeit erhalten, über kommunale Mehrwertabgaben bei Auf- und Umzonungen ebenfalls die nötigen zusätzlichen finanziellen Mittel mit nämlichem Zweck zu vereinnahmen.

Für die Umsetzung des RPG 1 wurde eine Übergangsfrist bis zum 31.12.2019 festgeschrieben.

Gesuchflut belastet Gemeinden

Wie gross die Herausforderung dieser Umsetzung für die Kantone und vor allem die Gemeinden ist, sei am Beispiel des Kantons Zürich illustriert. So gibt es in Zürich 265 rechtskräftige Kernzonen für Kleinsiedlungen, verteilt auf 76 Gemeinden. Die Anzahl der Baugesuche hat sich von 2017 bis 2019 von 1151 auf 1894 erhöht – und für 2021 wird die Zahl mutmasslich fast 2500 erreichen. Die Gemeinden sind mit der Vorbereitung der Gesuche enorm belastet. Die letzte Entscheidung liegt beim Kanton. Klare Regelungen sind kaum möglich, viele Gesuche sind Spezialfälle und betreffen besondere Situationen. Eine Verallgemeinerung ist nicht möglich – und auch nicht sinnvoll. Aber gerade das macht die Ausgangslage arbeits- wie auch prozessintensiv. Die Verbindung dieser Flut an Gesuchen zum Inkraftsetzungszeitpunkt des RPG 1 ist offensichtlich.

Im Grundsatz ja, in der Realität komplizierter

Die Umsetzung des RPG 1 ist noch mitten in der Umsetzung – und jetzt folgt bereits die nächste Revision.

Hauptzielsetzung der zweiten Etappe der Revision des Raumplanungsgesetzes (RPG 2) ist es, das Bauen ausserhalb der Bauzone neu zu regeln. Gleichwohl soll die Trennung von Baugebiet und Nichtbaugebiet aufrechterhalten bleiben. Der Spielraum der Kantone soll erhöht werden. Die Grundzüge sollen in den kantonalen Richtplänen festgeschrieben werden. Diese dezentralisierte Verantwortlichkeit ist grundsätzlich zu begrüssen. So werden individuelle, auf die kantonalen Gegebenheiten abgestimmte Lösungen möglich. Allerdings sei an dieser Stelle angemerkt, dass die unterschiedlichen Umsetzungen in den Kantonen mutmasslich zu dem Szenario führen werden, das die Gesetzgebung und Planung zunehmend bestimmt: Gerichtsurteile werden dominieren und die Planungsentscheide übersteuern.

Verbunden mit der Verantwortlichkeit werden von den Kantonen Kompensations- und Aufwertungsmassnahmen verlangt. Wesentliches Element dabei ist, dass Bauten, die nicht mehr im ursprünglichen Sinn genutzt werden können oder sollen, abgebrochen werden müssen. Natürlich gegen Entschädigung. Für die Ausrichtung dieser Abbruchentschädigung soll der über das RPG 1 festgeschriebene kantonale Mehrwertausgleichsfonds verwendet werden.

Fragliches Instrumentarium

Grund und Boden sind ein knappes Gut, und der Wunsch nach eigenem individuellem Wohnraum ist nachvollziehbar. Genauso wichtig sind aber zunehmend der Erhalt und die schonende Nutzung unserer Umwelt. Entsprechend bewegen wir uns in einem Spannungsfeld der Ansprüche. Entscheidend ist nicht die Zielsetzung, zentral wird die massvolle Umsetzung der neuen Gesetzesvorlage sein.

Dazu sind folgende Bemerkungen anzubringen:

– Weiler und Kleinsiedlungsgebiete, aber auch einzelne Gebäude sind wichtige Teile unserer landschaftlichen Struktur sowie der Ortsbilder. Mit der Schaffung von finanziellen Anreizen für den Abbruch entsteht die Gefahr, dass massiv in eben diese Landschaftsstrukturen eingegriffen wird. Ausserdem darf nicht vernachlässigt werden, dass eine Abbruchentschädigung die Grundlage für ein eigentliches Geschäftsmodell werden könnte. Liegenschaften werden günstig erworben und abgebrochen – durch den Abbruch erfolgt eine profitable Refinanzierung.

– Nichtbauzonen mit zu kompensierenden Nutzungen und die damit verbundenen Möglichkeiten, wonach ausserhalb der Bauzone aufgrund einer räumlichen Gesamtkonzeption spezielle Bauzonen vorgesehen werden könnten, stehen durchaus im Wettbewerb zur angestrebten Stabilisierung.

– Auffällig und zweifelhaft ist das Thema Bodenversiegelung. Ein Unterschied zwischen ganzjähriger und anderer landwirtschaftlicher Nutzung ist genauso zweifelhaft wie die grundsätzliche Ausnahme aus dem Stabilisierungsziel.

– Jede kantonale Regelung führt in der Tendenz dazu, dass allgemeingültige standardisierte Regelungen ausgearbeitet und eingeführt werden, die in ihrer uniformen Ausgestaltung den lokalen Gegebenheiten angepasste Lösungen verunmöglichen.

Finanzierung als Hauptkritikpunkt 

Die vorgeschlagene Abbruchprämie soll aus den in den Kantonen im Aufbau befindlichen Fonds für den kantonalen Mehrwertausgleich erfolgen. Dies widerspricht den Grundsätzen unserer Planung, wonach wir unterscheiden zwischen Baugebiet und Nichtbaugebiet. Die Mittel aus dem Mehrwertausgleich stammen aus Neueinzonungen, die von den Kantonen genehmigt werden. Sie sollen primär für eine qualitativ hochwertige Siedlungsentwicklung nach innen zur Verfügung stehen.

Hinzu kommt, dass die finanzielle Ausstattung dieser Mehrwertausgleichsfonds noch wenig ergiebig ist. Mit dafür verantwortlich ist nicht zuletzt die Tatsache, dass die Kantone neu wie gewünscht eine sehr restriktive Einzonungspolitik verfolgen und die Einnahmen der Fonds deutlich unter den Erwartungen liegen. Derzeit fehlt also schlicht das Geld für die angestrebte Entschädigung abbruchwilliger Eigentümerinnen und Eigentümer. Hinzu kommen auch reglementarische Voraussetzungen, die diese Neuausrichtung der Fonds nicht einfach möglich machen.

Der Wille ist da, aber …

Zersiedelung reduzieren und den Bodenverbrauch stabilisieren: Hinter dieser Zielsetzung stehen auch die Gemeinden. Die Suche nach guten, einfachen Lösungen, die diesem Grundgedanken Nachdruck verschaffen, aber gleichzeitig lokale, möglichst individuell ausgestaltete Lösungen möglich machen, ist mit dieser Gesetzesvorlage noch nicht abgeschlossen. Entscheidend wird – und hier müssen die Gemeinden aktiv und entschlossen auftreten –, wie die Kantone sich die Umsetzung vorstellen. Grundsätzlich stellt sich aber die Frage, in welchem Rhythmus die Gesetzesrevisionen von jenen verkraftet werden können, denen die Umsetzung obliegt, also von den Gemeinden. Weniger wäre manchmal mehr.

Jörg Kündig
Präsident des Gemeindepräsidentenverbands des Kantons Zürich, Gemeindepräsident von Gossau (ZH)
Vizepräsident des Schweizerischen Gemeindeverbands (SGV)

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