Citizen-Apps können sehr hilfreich sein – doch dafür müssen sie auch genutzt werden.

Citizen-Apps: Akzeptanz dank Partizipation und Kommunikation

06.10.2022
10 | 2022

Gemeinden setzen auf Apps, welche die Zusammenarbeit mit Bürgerinnen und Bürgern effizienter und wirkungsvoller gestalten sollen. Eine gezielte Kommunikation von Beginn an hilft, die Akzeptanz solcher Apps zu erhöhen.

Die moderne Gemeinde nutzt die Möglichkeiten von Smart- und E-Government. Von Stadtmeldern über Quartier-Plattformen bis hin zur Mitwirkung werden Citizen-Apps eingesetzt. Deren Beschaffung und Betrieb sind ressourcenintensiv. Trotz guter Absicht und technisch einwandfreier Umsetzung erfahren viele Applikationen nicht die erhoffte Nutzung. Eine explorative Studienarbeit an der Universität St. Gallen zur Bedeutung der Kommunikation für die Technologieakzeptanz folgert, dass das weniger mit zu hoch gesetzten Erwartungen denn unzureichender Partizipation und Kommunikation zu tun hat.

Erkenntnisse der SwissCovid-App

Eine der bekanntesten Schweizer Citizen-Apps ist die SwissCovid-App. Sie wurde im Juni 2020 vom Bundesamt für Gesundheit für das Contact Tracing eingeführt. Trotz personellen und finanziellen Anstrengungen in Technik und Kommunikation sowie breiter Unterstützung durch Unternehmen erzielte sie nicht die angestrebten Download- und Aktivierungsraten. Viele kannten die SwissCovid-App, ein Teil lud sie herunter, verhältnismässig wenige nutzten sie im relevanten Zeitraum, obwohl mit steigenden Nutzungszahlen die Funktionalität zunahm.

Erklärungen für die zu geringe Nutzung liefern Modelle zur Technologieakzeptanz. Zwei Faktoren sind ausschlaggebend: der Nutzen und die Benutzerfreundlichkeit, subjektiv wahrgenommen durch die Bürgerinnen und Bürger. Interviews mit den Beteiligten der SwissCovid-App legen nahe, dass es zu wenig gut gelungen war, darauf einzuwirken. Für das Einführen einer Citizen-App heisst das im Umkehrschluss: erstens den relevanten Nutzen und Vorbehalte vorab aus Nutzersicht umfassender ermitteln, zweitens den Nutzen der App zielgruppenspezifischer vermitteln und drittens deren Anwendung wiederholt erklären und fördern. Statt einseitiger Information braucht es mehr Partizipation und Kommunikation bereits von der Planung an. 

Nutzen und Vorbehalte ermitteln

Vor der Beschaffung einer App sollte partizipativ eruiert werden, wer die künftigen Nutzerinnen und Nutzer sind, was diese wertschätzen, für nützlich erachten und wo gewichtige Vorbehalte bestehen. «Wert» ist vielschichtig und subjektiv. Oft ist nicht deckungsgleich, wie die Verwaltung und die Bürgerinnen und Bürger den Wert einer App wahrnehmen. Der subjektiv wahrgenommene Wert wird dabei Opportunitätskosten gegenübergestellt, die auch emotionaler Art sein können.

Bei der SwissCovid-App wurden Argumente zum Nutzen wie «sich selbst und andere schützen» hervorgehoben. Rational betrachtet richtig, haben viele subjektiv dies anders bewertet. Für Ablehnung sorgten eine als abstrakt wahrgenommene Gefährdung der Gesundheit, Unsicherheit über die Verwendung persönlicher Daten sowie technische Nachteile: Der Staat ist auf dem für viele wichtigsten, persönlichen Gerät «installiert», er «überwacht» die Menschen. Die App vermindert die Akkulaufzeit und damit den Nutzen des Geräts durch die Bluetooth-Verbindung. Eine unvorteilhafte Leistungsbilanz, zu wenig Mehrwert.

Haben Bürgerinnen und Bürger die durch die App zu adressierende Aufgabe bereits anders gelöst, wird die Anforderung an den Mehrwert für eine Verhaltensänderung noch höher. Beispielsweise führte eine Gemeinde eine andernorts hochgelobte Quartier-App ein. Diese stiess auf wenig Interesse, da sich WhatsApp-Gruppen für die nachbarschaftliche Kommunikation etabliert hatten. Ein frühzeitiger Dialog hätte dies aufgedeckt und die für eine Verhaltensänderung relevanten Argumente zum Nutzen priorisiert.

Den Nutzen vermitteln

Bei der Einführung einer App spielt die Kommunikation ebenfalls eine wichtige Rolle. Viele Apps sind keine Selbstläufer; ein Blick auf das eigene Smartphone zeigt die Fülle an Apps. Vergleichbar mit der Einführung eines neuen Produkts bedarf es einer auf die Zielgruppe abgestimmten Kommunikation. Die Kommunikation macht die App für die meisten erst sichtbar. Dabei sollten die Erkenntnisse aus dem ersten Schritt genutzt werden, um je nach (Teil-)Zielgruppe das relevanteste Nutzenversprechen zu kommunizieren. Ersetzt beispielsweise eine App das Telefonat oder Gespräch am Schalter mit der Verwaltung, sind bei Jüngeren andere Argumente hervorzuheben als bei Personen im fortgeschrittenen Alter.

Ebenfalls zu prüfen ist, ob dem «Warum», also den Gründen für die Nutzung der App, im Vergleich zum «Wie» genügend Raum gegeben wird. Für das Projektteam ist nach vertiefter Arbeit das «Warum» klar ersichtlich; gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern beginnt dessen Kommunikation jetzt erst richtig. Der Zeitpunkt der Einführung einer App sollte ebenfalls mit Bedacht gewählt werden. Unterstützt der Zeitpunkt das «Warum» oder läuft er dem entgegen? Die SwissCovid-App wurde im Sommer 2020 eingeführt, als die Corona-Fallzahlen rückläufig waren. Erst als die Fallzahlen im Herbst wieder anstiegen, nahm die App-Nutzung zu.

Die Anwendung erklären und fördern

Der nutzenbringende Einsatz einer App ist wiederholt zu kommunizieren. Eine subjektiv wahrgenommene tiefe Benutzerfreundlichkeit führt zu einer meist endgültigen Ablehnung. Die SwissCovid-App führte zu Beginn bei iOS-Geräten zu Fehlermeldungen und lief auf älteren Modellen nicht, was Nutzungswillige frustrierte. Die Benutzerfreundlichkeit ist dabei nicht auf die App selbst limitiert, sondern kann vom gesamten Ablauf geprägt sein. So konnten bei hohen Fallzahlen die Codes zur Eingabe in die SwissCovid-App nicht mehr zeitnah ausgestellt werden, was sich negativ auf die App auswirkte.

Nebst dem Bereitstellen von Hilfsmitteln und Kanälen für Feedback sollte die Kommunikation über die App nicht rein digital erfolgen. Eine Gemeinde setzte für die Mitwirkung bei der Ortsplanung auf eine App. Diese wurde im elektronischen Newsletter angekündigt; auf eine physische Informationsveranstaltung zu dieser Form der Mitwirkung wurde verzichtet. In der Folge nutzten nicht alle Bevölkerungsschichten die App wie erhofft.

Eine stringente Kommunikation fördert die Nutzung einer App, indem Wissenslücken zeitnah geschlossen, Falschinformationen berichtigt und positive Nutzungsergebnisse proaktiv aufgezeigt werden. Ansätze wie Gamification oder Nudging können die Akzeptanz und die Nutzung stärken. Beispielsweise könnte ein Stadtmelder anzeigen, wie viele für das Gemeinwohl nützliche Meldungen in einem Quartier eingereicht wurden oder die SwissCovid-App könnte anzeigen, wie viele Begegnungen durch sie «geschützt» wurden.

Isabelle Schirmer
Beraterin «Die Botschafter» Kommunikationsagentur AG LSA
Axel Thoma
Research Partner FIM-HSG und Lehrbeauftragter der Universität St. Gallen, Leiter Strategie «Die Botschafter»