Gemeindevorsteherinnen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz versammelten sich im Juni in Schaffhausen zur dritten internationalen Bürgermeisterinnenkonferenz.

Bürgermeisterinnenkonferenz: Mehr Frauen in die Rathäuser!

24.06.2024
7-8 | 2024

Noch immer stehen massiv weniger Frauen an der Spitze von Gemeinden als Männer. In Schaffhausen haben sich Ende Juni Gemeindepräsidentinnen und Bürgermeisterinnen aus der Schweiz, Deutschland und Österreich getroffen. Sie tauschten Erfahrungen aus und suchten nach Lösungen, um den Frauenanteil in der Lokalpolitik zu erhöhen. Mit dabei waren auch Bundesrätin Karin Keller-Sutter sowie die First Ladies von Deutschland und Österreich, Elke Büdenbender und Doris Schmidauer.

Die Zahlen sprechen für sich: Nur rund 16 Prozent aller Gemeindepräsidien in der Schweiz sind in Frauenhand. In Deutschland und Österreich liegt dieser Wert noch tiefer, nämlich bei rund 10 Prozent. Der Frauenanteil ist damit deutlich tiefer als in den nationalen Parlamenten, wo er sich zwischen 30 und 40 Prozent bewegt.

Die Erkenntnis, dass Handlungsbedarf besteht, und zwar rasch, einte die rund 60 Bürgermeisterinnen aus der Schweiz, Deutschland und Österreich, welche sich am 20. und 21. Juni zur dritten Internationalen Bürgermeisterinnenkonferenz in Schaffhausen trafen. Trotz der Unterschiede in den politischen Systemen der drei Länder sind die Herausforderungen für die Frauen in der Politik überall ähnlich, wie aus den Vorträgen und Diskussionsrunden rasch klar wurde. Bundesrätin und Finanzministerin Karin Keller-Sutter sagte etwa: «Es ist auch meine Erfahrung, dass Frauen mehr leisten müssen als Männer, um Erfolg zu haben. Ich hätte es mir nicht leisten können, schlecht zu sein.»

Wichtige Vorbildrolle

Karin Keller-Sutter betonte in ihrer Rede die Vorbildrolle der Frauen in der Politik: «Es ist wichtig, dass Sie Ihr Engagement weiterführen und andere Frauen motivieren, es Ihnen gleichzutun.» Die Politik könne sehr spannend und erfüllend sein. Allerdings erhalte man gerade auf lokaler Ebene oft wenig Anerkennung – oder werde sogar angefeindet.

Angriffe gerade in den sozialen Medien seien ein grosses Problem, sagte Elke Büdenbender, First Lady von Deutschland. «Da müssen wir als Frauen zusammenstehen und gemeinsam weiterarbeiten.» Doris Schmidauer, First Lady von Österreich, sagte aber auch, dass die sozialen Medien eine Chance sein können, wenn sie richtig genutzt werden. «Bürgermeisterinnen als Influencerinnen können jungen Mädchen Mut machen, um in die Politik zu gehen.» Das sei enorm wichtig, denn: «Die Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit.»

Die beiden First Ladies zeigten sich beeindruckt von der Aktion «Helvetia ruft!», welche Ständerätin Maya Graf (BL/Grüne) an der Konferenz vorstellte. Diese entstand im Vorfeld der Wahlen 2019, mit dem Ziel, den Frauenanteil in National- und Ständerat zu erhöhen, was auch gelang. Die überparteiliche Zusammenarbeit, die frische Kommunikation sowie das strukturierte Vorgehen – diese Ideen wollen die beiden First Ladies mit in ihre Heimatländer nehmen.

Unterschiedliche Perspektiven

Immer wieder kamen die Referentinnen an der Konferenz auf den Einbezug der Männer zu sprechen. Denn Frauenförderung in der Politik klappt dann gut, wenn auch die Männer mitziehen. Besonders spannend war hierbei der Input von Kathrin Stainer-Hämmerle, welche an der Fachhochschule Kärnten eine Studie zur politischen Partizipation junger Frauen durchgeführt hat. Sie befragte dafür sowohl Frauen als auch Männer in der Lokalpolitik zu ihrer Partizipation und den Gründen, weshalb Frauen sich engagieren – oder eben nicht. Daraus ging hervor, dass sich viele Männer gar nicht der Probleme bewusst sind, mit welchen sich Frauen in der Lokalpolitik herumschlagen. So glauben sie, dass ein wichtiger Grund für die geringe Frauenvertretung schlicht mangelndes Interesse sei. Frauen hingegen geben als Gründe geringes Selbstvertrauen, wenig Unterstützung aus der Partei sowie eine männlich geprägte Politkultur, die ihnen nicht zusagt, an. Diese unterschiedlichen Perspektiven zeigen, wie wichtig der Dialog und die Sensibilisierung für das Thema sind.

Auch Dario Wellinger von der Fachhochschule Graubünden sowie Helga Lukoschat von der Europäischen Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft in Berlin stellten Studien und Lösungsansätze für mehr Frauen in der Politik vor. Sie betonten beide, dass die Rahmenbedingungen verbessert werden müssen, insbesondere was die politische Bildung, aber auch die Vereinbarkeit von Familie und Amt angeht.

Mehr Selbstvertrauen

Direkt aus der Praxis erzählten zum Schluss der Konferenz drei Bürgermeisterinnen bzw. Gemeindepräsidentinnen: Shaleen Mastroberardino aus Berneck (CH), Ramona Schumann aus Pattensen (D) sowie Bernadette Geieregger aus Kaltenleutgeben (A). Ramona Schumann erzählte von ihrem Einstieg in die Lokalpolitik und einem Satz einer Freundin, der sie geprägt habe: «Wenn andere dir das zutrauen, kannst du dir das selbst auch zutrauen.» Kurz darauf wurde sie zur ersten Bürgermeisterin in der 1000-jährigen Geschichte der Stadt Pattensen gewählt.

Einfach einmal machen, Selbstvertrauen haben, und akzeptieren, dass nicht alles perfekt ist. Denn irgendwie geht es immer, wie Andrea Kaufmann, Bürgermeisterin von Dornbirn (A) und Vizepräsidentin des Österreichischen Gemeindebundes, im Schlusspodium sagte. Nationalrätin Priska Seiler-Graf, Vorstandsmitglied des SGV und ehemalige Stadträtin von Kloten, wies auf die Wichtigkeit von Netzwerken hin – sowohl unterstützender Frauennetzwerke, wie auch den Austausch mit Männern in der Politik. Und Alexandra Gauss, Bürgermeisterin von Windeck (D) und Mitglied des Präsidiums des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, brachte es zum Schluss auf den Punkt: «Wir sind hier, und wir haben was zu sagen!»

Text: Nadja Sutter
Chefredaktorin «Schweizer Gemeinde»