Bettingen auf dem Weg zur barrierefreien Gemeinde
Die politischen Gemeinden in der Schweiz sind mit dem Auftrag konfrontiert, die UNO-Behindertenrechtskonvention umzusetzen. Bettingen (BS) zeigt, wie es gehen kann.
Die Gemeinde Bettingen im Kanton Basel-Stadt gehört mit gut 1200 Einwohnerinnen und Einwohnern zu den kleineren Gemeinden der Schweiz. Rund zehn Personen leben dort mit einer Behinderung. Es sind zwei Kinder im Primarstufenalter, zwei junge Erwachsene und sechs Erwachsene zwischen 30 und 90 Jahren. Die Gemeindeverwalterin, Katharina Näf Widmer, berichtet in einem Gespräch, wie sie mit der Heterogenität in ihrer Gemeinde umgeht und welche Massnahmen bereits für eine inklusivere Gemeinde umgesetzt worden sind.
Die UNO-Behindertenrechtskonvention
Artikel 9 der UNO- Behindertenrechtskonvention verlangt die Feststellung und Beseitigung von Zugangshindernissen und -barrieren für Menschen mit Behinderungen (UN-BRK, Art. 9). Dies, um «Menschen mit Behinderungen den gleichberechtigten Zugang zur physischen Umwelt, zu Transportmitteln, Information und Kommunikation, einschliesslich Informations- und Kommunikationstechnologien und -systemen, sowie zu anderen Einrichtungen und Diensten, die der Öffentlichkeit in städtischen und ländlichen Gebieten offenstehen oder für sie bereitgestellt werden, zu gewährleisten» (ebd., Art. 9). Obwohl die Gemeindeverwalterin von Bettingen bescheidenerweise zu Beginn anmerkt, dass die Gemeinde noch einen langen Weg hat bis zur kompletten Umsetzung der Forderungen der UN-BRK, scheint die Bedeutsamkeit und das Bewusstsein darüber, dass man der Bevölkerung ein inklusives Miteinander ermöglicht, zur Leitkultur der Gemeinde zu gehören. Im Folgenden soll anhand zweier Beispiele illustriert werden, welche Anpassungen bereits getroffen worden sind.
Ein Gartenbad für Alle
Vor knapp drei Jahren wurde der Aussenraum des Bettinger Gartenbades neu gestaltet. Ein wichtiger Faktor bei der Neukonzeption war, dass das Bad gleichzeitig auch barrierefreier wird. Somit rückte der Behindertenparkplatz von ganz hinten nach ganz vorne, wurden der Zugang zum Gartenbad optimiert (Zugang zum Kassenhäuschen, Gefälle des hindernisfrei begehbaren Weges ab Kiosk bis zum Schwimmbereich), separate Garderoben und Duschen erstellt und ein Lift für einen hindernisfreien Einstieg ins Bad angeschafft. Dabei wurde die Gemeinde von der Fachstelle der Pro Infirmis «Hindernisfreies Bauen» unterstützt und beraten.
Barrierefreie Jubiläumsfeier im Jahr 2013
Des Weiteren hat die Gemeinde für die Jubiläumsfeier «500 Jahre Bettingen» auf Anfrage eines gehörlosen Einwohners eine Gebärdensprachdolmetscherin organisiert, die einzelne Veranstaltungen begleitet und simultan übersetzt hat. Für die Verwaltung der Gemeinde Bettingen stellte dies kein Problem dar, da es für sie von Bedeutung war, dass dieser Einwohner uneingeschränkt an den Festivitäten teilnehmen konnte.
Wertschätzung der Bedürfnisse
Auch wenn in Bettingen noch nicht alle Strukturen und Dienstleistungen barrierefrei umgesetzt werden konnten, lässt sich anhand dieser Beispiele und des Gesprächs illustrieren, was es für die uneingeschränkte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen braucht: eine Begegnung auf Augenhöhe und die Wertschätzung und Ernstnahme der Bedürfnisse der Einwohnerinnen und Einwohner mit Behinderung. Dies kann nur durch den gemeinsamen Austausch und die Kenntnis über die nötigen Strukturen geschehen. Weil jedoch in vielen Gemeinden die Ressourcen und Strukturen für eine ausgiebige Auseinandersetzung fehlen und die Behörden oftmals auch nicht wissen, an welche Dienstleister sie sich wenden müssen, möchte der Verein Tatkraft mit seinem neuen Projekt Hilfestellung leisten und die Gemeinden dabei unterstützen, ihre Strukturen für Menschen mit Behinderungen anzupassen.
Der Inklusions-Check für Gemeinden: Gemeinden für Pilotprojekt gesucht
Die politischen Gemeinden in der Schweiz haben die Aufgabe, die UNO-Behindertenrechtskonvention umzusetzen. Sie sind jedoch häufig mit fehlenden personellen Ressourcen konfrontiert und können sich deshalb nicht damit auseinandersetzen, wie die Richtlinien der UN-BRK umzusetzen und Barrieren zu beheben sind. Oder es fehlt den Mitarbeitenden der Gemeinde sowohl an Know-how als auch an Zeit, um notwendige Anpassungen zu erkennen und umzusetzen. Der Inklusions-Check soll den Gemeinden ein Screening nach den Richtlinien der UN-BRK anbieten und sie dann direkt mit Dienstleistern vernetzen, die ihnen bei der Umsetzung Unterstützung bieten können. Der Verein Tatkraft sucht hierfür Gemeinden, die sich für das Pilotprojekt zur Verfügung stellen möchten.
Informationen und Kontakt:
Melike Hocaoglu, melike.hocaoglu@tatkraft.org, Tel: 076 815 69 42
«Wir würden die Barrierefreiheit in unserer Gemeinde gerne allumfassend umsetzen können, wissen aber oftmals nicht, an wen wir uns mit unseren Anliegen konkret wenden sollen.»