Beschaffungen: Mit Kreislaufwirtschaft zu Netto-Null
Die öffentliche Beschaffung verfügt über einen grossen Hebel, die Transformation zur Kreislaufwirtschaft zu beschleunigen. Beschaffungsorganisationen werden dabei vom Service- zum Kompetenzzentrum. Ein Beispiel aus Landquart (GR).
Die Kreislaufwirtschaft (KLW) stellt ein wichtiges Instrument dar, mit dem wir als Gesellschaft unsere gesetzten Klimaziele erreichen können. Spätestens 2050 wollen wir Netto Null Emissionen erreichen. Dafür müssen wir, nebst der Nutzung von erneuerbaren Energien und der Steigerung der Energieeffizienz, auf einen effizienten Einsatz der materiellen Ressourcen achten. Die KLW zeigt Wege auf, wie diese Ressourceneffizienz erreicht werden kann – vom Verzicht auf die Herstellung und Nutzung von Produkten über deren Wieder- und Weiterverwendung bis hin zum Recycling.
Die Entwicklung einer kreislauffähigen Lösung erfordert von Anbietenden eine grundlegende Neuausrichtung. Sie kann von Beschaffungsverantwortlichen durch die Nachfrage nach kreislauffähigen Lösungen unterstützt werden. Die öffentliche Hand hat hierbei einen Vorbildcharakter und sollte beginnen, sich mutig mit dieser neuen Art der Beschaffung auseinanderzusetzen. Wie gelingt ihr das?
Kreislauffähige Beschaffung digitaler Wandtafeln
Die Gemeinde Landquart (GR) plante Anfang 2023 die Beschaffung von digitalen Wandtafeln. Der für die Beschaffung verantwortliche Gesamtschulleiter, Jürgen Thaler, beschloss in Absprache mit dem Bauamt, bei diesem Geschäft auf die kreislauffähige Beschaffung zu setzen und so dem Umweltaspekt besondere Beachtung zu schenken. Er meldete sich beim kantonalen Kompetenzzentrum Beschaffungswesen des Departements für Infrastruktur, Energie und Mobilität (DIEM), das innovative Beschaffungen unterstützt. Das Departement begleitete die Ausschreibung und zog für die Erarbeitung relevanter KLW-Kriterien das Unternehmen Prozirkula hinzu, das Kompetenzzentrum für kreislauffähige öffentliche Beschaffung.
In einem ersten Schritt führte Prozirkula eine Marktanalyse durch, um herauszufinden, wo der Markt bezüglich KLW-Ansätzen steht und welche Aspekte im Zentrum stehen müssen. Eine der daraus abgeleiteten Erkenntnisse bestand darin, dass an die beiden Komponenten Wandtafel und Bildschirm unterschiedliche Anforderungen zu stellen sind, da sich deren Lebensdauer um über zwei Jahrzehnte unterscheidet. Das heisst: Eine effiziente und kostengünstige Austauschbarkeit des Bildschirms ist zentral.
Übersetzung in Kreislaufkriterien
In einer Arbeitssitzung mit dem Gesamtschulleiter, dem DIEM und Prozirkula wurden die für die Wandtafeln relevanten KLW-Ansätze, wie die Modularität oder eine Verwertungslösung am Nutzungsende der Produkte, vorgestellt und festgelegt, was in die Ausschreibung übernommen werden sollte. Prozirkula überführte die Ansätze in sieben Ausschreibungskriterien mit zugehörigen Nachweisen und Bewertungsschlüsseln. Gesamtschulleiter Jürgen Thaler sagt zu diesem Prozess: «Es ist eine grosse Herausforderung, bei einer Ausschreibung die wesentlichen Inhalte praxistauglich aufzuschlüsseln.»
Im Team wurde über die passende Gewichtung der Anforderungen diskutiert. Man war sich einig, dass eine zeitgemässe Ausschreibung, die mit der durch das revidierte BöB und die revidierte VöB eingeläuteten Beschaffungskultur in Einklang steht, dem Qualitätswettbewerb und der Nachhaltigkeit einen relevanten Stellenwert geben muss. Daher wurden die Lebenszykluskosten mit 30 Prozent, die Nachhaltigkeit (inkl. KLW) sowie die Qualität mit je 35 Prozent bewertet.
Die Formulierung des Preiskriteriums als Lebenszykluskosten ist ebenfalls als innovativer Schritt zu verstehen. Denn die Anbietenden mussten auch den Fall des Bildschirmaustausches in den Preis einrechnen. Die Marktanalyse vor der Beschaffung hatte ja gezeigt, dass während der Lebensdauer der Wandtafel der Bildschirm voraussichtlich mehrmals ausgetauscht werden würde. Deshalb ist es natürlich wirtschaftlich relevant, bei den Gesamtkosten die Kosten für den Austausch mit dem Ankaufspreis zu verrechnen.
Evaluation und Zuschlag
Die Evaluation wurde ebenfalls im Team durchgeführt, denn eine Fachperspektive ist zu Anfang hilfreich, um die neuen Ansätze zu bewerten. Gemäss der neuen Beschaffungskultur erhielt das «wirtschaftlich günstigste» Angebot den Zuschlag, das sich nebst eines guten Gesamtpreises auch durch gelungene Massnahmen zur Ressourcenschonung, eine Produktion mit erneuerbaren Energien und eine hochstehende Qualität auszeichnete. «Die Auswertung nach den aufgestellten Kriterien war sehr spannend, und auf den ersten Blick attraktive Angebote fielen bei einzelnen Kriterien deutlich zurück», bemerkt Jürgen Thaler. «Preisgünstige Angebote entpuppten sich bei genauerer Betrachtung teilweise als nicht wettbewerbsfähig.»
Das Beispiel aus Landquart zeigt, wie Beschaffungsstellen Wissen in den Markt tragen und durch eine moderne Gewichtung der Anforderungen den Aufbau einer ressourcenschonenden Zukunft vorantreiben können. Veränderungen brauchen aber Zeit und gelingen nur gemeinsam. Lieferantengespräche, die Entwicklung während der Vertragslaufzeit oder das Übersetzen der Anforderungen in den Vertrag sind wichtige Instrumente, um zusammen neue Wege zu gehen.
Tagung nachhaltige öffentliche Beschaffung
Die Tagung nachhaltige öffentliche Beschaffung findet am 12. März in Biel zum Thema «Umsetzung Klimaschutzgesetz – was bedeutet das für die öffentliche Beschaffung?» statt. Mit der Annahme des Klimaschutzgesetzes hat die Schweiz Ja gesagt zur schrittweisen Verminderung der Treibhausgasemissionen und zu konkreten Massnahmen, um den Energieverbrauch zu reduzieren. Damit hat die Klima- und CO2-Neutralität auch in der öffentlichen Beschaffung an Bedeutung gewonnen. Das Potenzial klimafreundlicher Beschaffungen ist gross. Was es dabei zu beachten gilt und wie klimafreundliche, kreislauffähige Beschaffungen gelingen, wird an der Tagung mit Inputreferaten und praxisnahen Workshops aufgezeigt. Die Teilnehmenden werden ins Thema eingeführt und erfahren, wie sie durch einen nachhaltigen Einkauf Treibhausgasemissionen reduzieren und die Markteinführung innovativer klimafreundlicher Produkte und Technologien gezielt unterstützen können. Die Tagung richtet sich an Beschaffungsverantwortliche von Gemeinden, Städten, Kantonen und dem Bund sowie an weitere Interessierte. Die Teilnahme ist sowohl online als auch vor Ort in Biel kostenlos.