Bauprojekte: früher Einbezug der Planung lohnt sich
Ein Workshop, eine Machbarkeitsstudie und anschliessend der offene Architekturwettbewerb: Die Schulhauserweiterung von Mammern (TG) zeigt, wie die sorgfältige Vorbereitung und die angemessene Beschaffungsform zu einem geeigneten Projekt führen können. Um Bauherrschaften bei den Vorbereitungen für die Vergabe von Aufträgen an Planende zu unterstützen, haben der SIA und weitere Planerverbände das Onlineinstrument «Wegweiser Planungsbeschaffung» herausgegeben.
«Betroffene zu Beteiligten machen, das hat der offene Architekturwettbewerb für die Gemeinde Mammern ermöglicht», so die ehemalige Präsidentin der Schulkommission Mammern Monika Ribi Bichsel. Sie begleitete die Auswahl des geeignetsten Projekts für die Erweiterung der Primarschulanlage von 2020 bis Juli 2024. Mammern gehört mit 700 Einwohnerinnen und Einwohnern zu den kleinsten Gemeinden im Kanton Thurgau. Das Vereinsleben und der Austausch prägen das Zusammenleben. Sie ist zudem eine der wenigen politischen Gemeinden im Thurgau, zu denen eine Schule gehört. Rund 60 Kinder gehen heute in Mammern in die Primarschule.
Doch die Räumlichkeiten des Schulkomplexes aus den 1980er-Jahren genügen den Anforderungen an einen zeitgemässen Schulbetrieb nicht mehr: Die Klassenzimmer sind zu klein und unflexibel in der Nutzung, es gibt keine geeigneten Gruppenräume, und auch zusätzliche Räume für die Tagesstrukturen fehlen. Für den Gemeinderat war deshalb klar: Es braucht Investitionen in die bauliche Entwicklung des Schulgeländes. «Unser erster Schritt, und das können wir auch weiterempfehlen, war die Suche nach einer externen Beratung. Diese Fachperson hat uns im Prozess der Beschaffung begleitet. Denn wir sind keine Experten auf diesem Gebiet, viele von uns befassen sich das erste Mal mit der Beschaffung eines Projektes in einer solchen Grössenordnung», sagt Monika Ribi Bichsel.
Frühzeitige Abklärung der Bedürfnisse
«Um die Betroffenen in den Prozess einzubeziehen, organisierten wir einen Workshop mit den Einwohnerinnen und Einwohnern», so Ribi Bichsel. Die Erkenntnisse daraus flossen in eine Machbarkeitsstudie, aus der fünf Varianten für einen möglichen Erweiterungsbau hervorgingen. Denn die Ausgangslage für das Vorhaben war anspruchsvoll. Die Gemeinde besass keine eigenen Landreserven. «Nach der öffentlichen Präsentation der Varianten erhielten wir sofort Reaktionen, das Interesse der Bevölkerung war gross», erzählt Ribi Bichsel weiter. Und diese sprach sich an der Gemeindeversammlung klar dagegen aus, dass der Pausenplatz und die Spielwiese einem möglichen Erweiterungsbau weichen sollten. Stattdessen solle, wie dies in einer Variante der Machbarkeitsstudie gezeigt wurde, mit einem Abbruch des Mehrfamilienhauses Trautheim auf dem Schulgelände der nötige Platz geschaffen werden.
Mit der Machbarkeitsstudie konnte die Gemeinde also den Standort und den Perimeter für den Erweiterungsbau definieren. Das war eine wichtige Grundlage für die Planungskommission, um die weiteren Rahmenbedingungen für das Programm des offenen Architekturwettbewerbs festzulegen, aufgrund derer die Planerinnen und Planer Projektentwürfe erarbeiten konnten. «Mit der sorgfältigen Vorbereitung und Durchführung des Wettbewerbes war es gelungen, die Gemeinde und die Bevölkerung mit auf den Weg zu nehmen. Gerade der Austausch mit der Bevölkerung ist zentral, um eine nachhaltige und bedürfnisorientierte Architekturlösung zu schaffen», führt Anita Dähler-Engel, Gemeindepräsidentin von Mammern, aus. 26 Projekte reichten Architekturschaffende ein; als klarer Gewinner ging das Projekt «Rotkehlchen» der ARGE ekip Architekten Studio de Pedrini hervor. Im Jahr 2025 werden die Stimmberechtigten an der Urne über den Baukredit abstimmen. Geben sie grünes Licht für die Umsetzung, kann mit dem Erweiterungsbau gestartet werden.
Studienauftrag, Wettbewerb oder Planerwahlverfahren?
Durch die sorgfältige Vorbereitung und die Wahl der angemessenen Beschaffungsform können öffentliche Bauherrschaften die Chancen auf eine nachhaltige Baute erhöhen, die auch bei den Anspruchsgruppen auf Akzeptanz stösst. Das zeigt auch das Beispiel in Mammern. Für die Wahl dieser angemessenen Beschaffungsform ist der «Wegweiser Planungsbeschaffung» ein hilfreiches Onlineinstrument. Er ist ein Gemeinschaftswerk von Planerverbänden und orientiert über die wichtigsten Schritte bei der Vergabe von Architektur- und Ingenieuraufträgen. Das Herzstück ist ein «Finder» für die geeignete Beschaffungsform: Bauherrschaften geben Parameter wie Auftragsvolumen und Gestaltungsspielraum ein und erhalten darauf eine Empfehlung für die Beschaffungsform ihres Bauvorhabens.
«Die angemessene Beschaffungsform von Architektur- und Ingenieurleistungen ist ein wirkungsvoller Hebel für die nachhaltige Gestaltung des Lebensraums. Dabei sind die Kosten für den qualitätsvollen Beschaffungsprozess gemessen an der Bausumme gering. Bauherrschaften können also viel gewinnen», sagt Federico Ferrario, Vizepräsident des Schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins (SIA). Dieses Potenzial will der SIA zusammen mit seinen Projektpartnern mit dem Wegweiser Planungsbeschaffung öffentlichen Bauherrschaften zugänglich machen.
Orientierungshilfen für die Beschaffung von Architektur- und Ingenieurleistungen
Der Wegweiser Planungsbeschaffung wurde vom SIA initiiert und ist ein gemeinsames Projekt mit dem Bund Schweizer Architektinnen und Architekten (BSA), dem Bund Schweizer Landschaftsarchitekten und Landschaftsarchitektinnen (BSLA) und der Schweizerischen Vereinigung Beratender Ingenieurunternehmungen suisse.ing. Bauenschweiz, der Dachverband der Bauwirtschaft, unterstützt das Projekt.
Der Leitfaden für öffentliche Beschaffung TRIAS ist ein Gemeinschaftswerk von Bund, Kantonen, Städten und Gemeinden. Herausgeberin ist die Schweizerische Bau-, Planungs- und Umweltdirektoren-Konferenz (BPUK), Partner sind unter anderen der Schweizerische Städteverband (SSV) und der Schweizerische Gemeindeverband (SGV).