Der geplante Bahnhof Liestal nach seinem Umbau: Rechts im Bild die neuen Eingänge zu den Personenunterführungen sowie die Fuss- und Veloverbindung entlang der Bahn.

Bahnhof Liestal – eine Verkehrsdrehscheibe im Wandel

06.09.2022
9 | 2022

Der Bahnhof von Liestal (BL) steckt mitten im Umbau. Damit wird die Verkehrsdrehscheibe Liestal noch wichtiger für die Region, als sie es ohnehin schon ist. Ein Einblick in die Herausforderungen dieses Mammutprojekts.

Als 2017 die Plangenehmigungsunterlagen zum Vierspurausbau des Bahnhofs Liestal öffentlich aufgelegt wurden, war klar: Hier kommt etwas Grosses auf die Kleinstadt Liestal zu. Mit ihren mehr als 15’000 Einwohnerinnen und Einwohnern ist Liestal die Kantonshauptstadt von Basel-Landschaft und ein wichtiger Dreh- und Angelpunkt auf der Schienenverbindung Basel–Olten. Es handelt sich aber nicht nur um einen regionalen Umsteigeknoten, sondern auch um einen Ort mit zunehmender städtebaulicher Dynamik.

Dies hat Liestal frühzeitig erkannt und bereits 2002 die Entwicklung des Bahnhofgebiets ganzheitlich in die Hand genommen. Die Planungen der Stadt sind in das Gesamtverkehrskonzept des Agglomerationsprogramms Basel eingebettet, in dem Liestal Zentrum des Entwicklungskorridors Ergolztal-Frenkentäler ist und der Bahnhof Liestal als wichtiger Entwicklungsschwerpunkt gilt. Der Bahnhof Liestal wird damit künftig eine noch grössere Rolle als Verkehrsdrehscheibe spielen, das heisst als Knoten, an dem Arbeitspendlerinnen und -pendler, Freizeitreisende oder Studierende bequem das Verkehrsmittel wechseln.

Gemeinden und Quartiere verbinden

Der Vierspurausbau soll die Kreuzungskonflikte im Bahnhof Liestal reduzieren und einen reibungslosen Bahnverkehr auf der Linie Basel–Olten ermöglichen. Zusammen mit dem Bau eines neuen Wendegleises ist der Ausbau die Voraussetzung für die Einführung des Viertelstundentakts der S-Bahn ab 2025. Neben dem Bau eines neuen Mittelperrons und der Verschiebung der angrenzenden Waldenburgerbahn sind auch neue Personenunterführungen notwendig. Diese sollen nicht nur die Perronzugänge verbessern, sondern auch die von den Gleisen getrennten Quartiere miteinander verbinden. Mit finanzieller Unterstützung des Bundes im Rahmen der Agglomerationsprogramme realisiert die Stadt eine grosszügige Velostation und attraktive Fuss- und Veloverbindungen.

Teil des «Verkehrskonzepts Stadtkern» sind zudem neue Zufahrten zum Bahnhof sowie ein Ersatz der Parkplätze für Park and Rail. Allerdings haben die Bewohnerinnen und Bewohner von Liestal und dessen Einzugsgebiet heute schon gute Alternativen zum Auto, um zum Bahnhof zu gelangen. Der 2015 fertiggestellte Busbahnhof ist Ankunfts- und Abfahrtsort von neun regionalen Linien. Drei davon werden ab 2023 neu als Stadtbusse geführt, um Liestal und die angrenzenden Gemeinden untereinander zu verbinden.

Wichtiger öffentlicher Raum

Doch Verkehrsdrehscheiben sind mehr als Umsteigepunkte. Sie sind auch wichtige öffentliche Räume, die zum Verweilen einladen sollen. Die Bedeutung einer städtebaulich guten Gestaltung von Bahnhöfen haben verschiedene Umfragen bestätigt. Und um die optimale verkehrliche Anbindung von Verkehrsdrehscheiben zu nutzen, sollte in ihrem Umfeld gewohnt und gearbeitet werden. SBB-Immobilien und die Stadt haben deshalb den Bau eines neuen Bahnhofgebäudes und zweier Neubauten mit Arbeitsplätzen und Wohnraum vereinbart. Dem Quartierplan und dem hierzu notwendigen Verkehrskonzept hat die Stimmbevölkerung von Liestal 2017 mit 70 Prozent Jastimmen zugestimmt.

In den angrenzenden Quartieren geht ebenfalls buchstäblich die Post ab. Die Stadt nutzt den Neubau des Postgebäudes und die Arealentwicklung auf der Nordseite des Bahnhofs zur Aufwertung des öffentlichen Raums an der Nahtstelle von Bahnhof und Altstadt. Wo das Bild heute vor allem von Parkplätzen geprägt ist, soll mit der Renaturierung des Orisbachs ein neuer Stadtpark entstehen. Auf der anderen Seite der Gleise unterstützt die nun verbesserte Erschliessung der Quartiere die Entwicklung: Ein Wohnquartier aus den 1970er-Jahren wurde kürzlich im Zuge seiner Sanierung verdichtet. Das Ergebnis ist ein lebenswertes und beliebtes Quartier.

Offenes Ohr für die Anwohnerinnen und Anwohner

Nicht immer verliefen die ersten Jahre seit Baubeginn reibungslos. Die Bevölkerung der Stadt Liestal ist noch mindestens bis 2026 den Verkehrs- und Lärmbelastungen einer Grossbaustelle ausgesetzt. Umwege und Behinderungen müssen in Kauf genommen werden. Auch sind nicht alle über die grossvolumigen Neubauten glücklich. Hier ist vor allem das Geschick der zuständigen Behörden gefragt. Vorsichtig, motiviert, beständig und immer mit einem offenen Ohr für die Anliegen der Bewohnerinnen und Bewohner: So könnte man die Arbeit der Stadt Liestal beschreiben. Thomas Noack, Raumplaner und Bereichsleiter in der Abteilung Hochbau und Planung von Liestal, sieht seine Gemeinde «im Wandel vom beschaulichen Stedtli zur Stadt». Damit bringt er die Herausforderungen zum Ausdruck, vor denen auch andere Schweizer Gemeinden heute stehen.

Das Programm Verkehrsdrehscheiben

Das Programm Verkehrsdrehscheiben wurde 2021 gemeinsam vom Bund, von Kantonen, Städten und Gemeinden lanciert und hat zum Ziel, das Umsteigen zu fördern und die verschiedenen Verkehrsmittel besser zu vernetzen. Dabei sollen die verschiedenen Verkehrsmittel entsprechend ihren räumlichen Stärken zum Einsatz kommen. Erste Grundlagenstudien im Rahmen des Programms haben gezeigt, dass gute Verkehrsdrehscheiben eine ganzheitliche Planung von Siedlung und Verkehr notwendig machen. Dazu ist das Zusammenspiel zahlreicher öffentlicher und privater Akteure gefragt. Um die Menschen zum Umsteigen zu bewegen, braucht es sowohl attraktive verkehrliche Angebote und gute städtebauliche Lösungen als auch begleitende Massnahmen wie grossräumig abgestimmte Konzepte zur Lenkung des Verkehrs. Liestal ist ein Beispiel für eine gelungene Verkehrsdrehscheibe, da verschiedene Akteure ihre räumlichen und verkehrlichen Planungen gut aufeinander abgestimmt haben und diese in den gesamträumlichen Kontext einzubetten wussten. In den nächsten Jahren sollen im Rahmen des Programms weitere gute Drehscheiben entstehen.

Weitere Informationen: www.are.admin.ch

Regina Witter
Bundesamt für Raumentwicklung (ARE)
Stellvertretende Leiterin der Sektion Agglomerationsverkehr

Informationen:

Forschungsprojekt Co-Creating Mobility Hubs (CCMH) – ein transdisziplinäres Forschungsprojekt der SBB zusammen mit der ETH Zürich und der EPF Lausanne.