«Aus zwei Kranken wird kein Gesunder»
Bei einer Fusion von Bergbahnen arbeitet meistens ein «Hochzeitsplaner» mit. Einer von ihnen ist Roland Zegg beziehungsweise das Unternehmen Grischconsulta. Er weiss auch, welche Auswirkungen solche Fusionen auf Gemeinden haben können.
Es passiert selten aus wahrer Liebe, ist oft eine Zwangsheirat: die Fusion von zwei oder mehreren Bergbahnunternehmen. Meistens erfolgt sie, weil die Kreditgeber nur nach einem Zusammenschluss bereit sind, eine dringend benötigte Investition zu finanzieren. Oft schliessen sich aber auch zwei oder mehrere kleinere Unternehmen zu einer wettbewerbsfähigen Grösse zusammen, weil Synergien so am besten genutzt werden können. Wie in Zermatt wappnen sich Bergbahnen mit einer Fusion zudem gegen ausländische Konzerne.
Nicht nur Banken, auch Kantone haben in der jüngsten Vergangenheit über die Regionalpolitik Druck gemacht. Sie setzten bereinigte Strukturen voraus, um den Unternehmen zinslose Investitionshilfegelder zu gewähren. Häufig riefen die Unternehmen, die meistens Aktiengemeinschaften sind, Grischconsulta um Hilfe, die von Roland Zegg gegründet und bis vor Kurzem auch geleitet wurde. Der gelernte Maschinenbauingenieur verfasste seine Doktorarbeit in der Betriebswissenschaft zum Thema Hotellerie und beriet nicht nur einzelne touristische Unternehmen, sondern auch ganze Regionen wie etwa Lenzerheide und Gstaad-Saanenland.
Unparteiischer Vermittler
Denn: «Wenn mehrere Partner zusammengehen, kann schlecht einer davon auch die Verhandlungen führen, es braucht eine neutrale Person», erklärt Roland Zegg. Ein unabhängiger Coach könne heikle und sensible Themen ansprechen und Lösungen aufzeigen, ohne als parteiisch zu gelten. «Grischconsulta hat stets ein gut organisiertes Projektmanagement mit klaren Zwischenzielen geführt und den Prozess straff gesteuert. Dies von einem der direkt Beteiligten zu verlangen, wäre vor allem bei grösseren Projekten eine Zumutung.»
Als Erstes würden eine gründliche Ist-Analyse der einzelnen Fusionspartner und eine objektive Unternehmensbewertung erstellt sowie eine gemeinsame Strategie vereinbart. Anschliessend folge ein gemeinsames Investitionsprogramm, der Name und die Führungscrew der neuen Unternehmung würden bestimmt. Roland Zegg weist darauf hin, dass dieser Prozess auch «eine geschickte Kommunikation mit den Mitarbeitenden, den Aktionären und den Stakeholdern bedingt». Und dann gelte es, die Abstimmungen in den Aktionärs- und allenfalls Gemeindeversammlungen mit einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln zu gewinnen.
Knacknuss psychologischer Faktor
Generell gibt es laut dem Experten aus Meienfeld bei den Fusionen «eine gewisse Angst vor dem Unbekannten, Neuen». Weitere Knacknüsse seien sehr oft psychologische Faktoren, «aber auch einzelne Schlüsselpersonen, die aufgrund ihrer Position eine Lösung verhindern können, weil sie einen persönlichen Verlust von Macht und Einfluss befürchten».
Ob eine Fusion flott vonstattengeht, hängt weniger von der Anzahl der Aktionärinnen und Aktionäre ab, sondern vom «Lebenszyklus» einer Destination, eines Unternehmens: «Vor allem geht es zügig, wenn der finanzielle Druck sehr hoch ist und einzelnen Bergbahnen das Wasser bis zum Hals steht.»
Roland Zegg weist aber auch darauf hin, wann eine Fusion keinen Sinn ergibt, nämlich dann, «wenn es nur darum geht, zwei kranke Unternehmungen ohne Sanierung zusammenzulegen. Denn zwei Kranke machen keinen Gesunden.» Oder dann, wenn nur zwei Bilanzen addiert würden, ohne dass die Unternehmenskulturen übereinstimmen würden. Schwierig sei auch, wenn etwa ein Familien- mit einem Gemeindebetrieb zusammengelegt werden solle. Da könnten die beiden Unternehmenskulturen zu unterschiedlich sein.
Gemeinden verlieren und gewinnen
Wird eine Fusion sorgfältig ausgeführt und werden kranke Unternehmungen vorgängig saniert, wirkten sich diese Zusammenschlüsse laut Zegg sehr positiv für die ganze Region aus: «Die Dynamik steigt, es wird wieder investiert. Statt intern Kräfte zu verzetteln, wird der Fokus wieder auf den Markt gerichtet, der Kundennutzen steigt erheblich.» Beste Beispiele hierzu seien Lenk, Obersaxen-Mundaun und Zermatt.
In den klassischen Schweizer Feriendestinationen ist die Bergbahnunternehmung meistens der grösste touristische Leistungsträger. «Eine Minderheitsbeteiligung der Gemeinde ist dann oft von Vorteil», weiss der Unternehmensberater, weil sie als Aktionärin mitreden könne. Wird eine Bergbahn saniert, kann sich das finanziell negativ auf die öffentliche Hand auswirken, weil allfällige zinslose Darlehen einem Kapitalschnitt geopfert werden. Ihr Gewinn ist dann, wiederum ein Unternehmen auf finanziell solideren Füssen zu haben, das Arbeitsplätze bietet.
Fusion mit verbindender Wirkung
Gemeindeschreiber Thomas Bucher zieht die Bilanz für Lenk: «Die Fusion hatte auf die Gemeinde eine verbindende Wirkung, da vorher drei Gesellschaften auf zwei Talseiten vorhanden waren.» Zudem habe sich die Zusammenarbeit mit Adelboden verstärkt.
Lenk hat heute kein spezielles Mitspracherecht, weil die Gemeinde aber die Planungsbehörde ist, finde nach wie vor ein Austausch statt. «Die Gemeinde ist hier eng in die Planung und Ausarbeitung von Nutzungen eingebunden», sagt Thomas Bucher. «Wir können mit Fug und Recht behaupten, dass die Fusion sehr erfolgreich war, die Zahlen sprechen für die Lenker Bergbahnen. In dem Sinn sehen wir auch kein Verbesserungspotenzial im Fusionsprozess.»
Die Nachfrage bei der Gemeinde Zermatt ergab, dass die einstige Fusion der Bahnen heute kein Thema mehr ist.
Grischconsulta ist in den deutschsprachigen Landesgebieten sowie den Alpenländern tätig und stellt fest, dass die Kulturen, die Traditionen, die Sippschaften in den Alpentälern durchs Band sehr ähnlich sind. Der Bündner Roland Zegg erklärt mit einem Augenzwinkern: «Die Berner sind nicht langsam – im Gegenteil: Die Fusion von vier Bergbahnunternehmungen an der Lenk haben wir vom ersten Gespräch bis zu den erfolgreichen Generalversammlungen in nur sechs Monaten geschafft.»
Synergien nutzen auch ohne Fusion
Innerhalb der Destinationen sind die Bergbahnstrukturen weitgehend bereinigt. Der Experte rät jedoch, zu prüfen, ob die vielen kleinen Bergbahn- und Skiliftunternehmen nicht in einem Verbund, etwa innerhalb eines Kantons oder einer Region, zusammengelegt werden sollten, um Synergien in der technischen Leitung, in der Verwaltung, im Einkauf, im Marketing, in einem gemeinsamen Tarifverbund und in anderem zu realisieren.