Die leeren Industriehallen im Attisholz-Areal werden bald zu Wohnungen und Gewerbeflächen umgebaut.

Aus einer Industriebrache entsteht ein neues Quartier

14.03.2024
3 | 2024

Auf dem Attisholz-Areal in Riedholz (SO) wurde während mehr als 100 Jahren Cellulose hergestellt. Seit 2008 die Produktion eingestellt wurde, verwandelt sich das rund 500 000 Quadratmeter grosse Areal. In den nächsten 20 bis 30 Jahren soll etappenweise ein neuer Ortsteil von Riedholz mit Raum zum Wohnen, Arbeiten, für Bildung, Forschung, Kultur und Freizeitgestaltung entstehen. Die Arealeigentümerin Halter AG, die Gemeinde und der Kanton Solothurn arbeiten für die Entwicklung Hand in Hand.

Die Attisholz Cellulose AG war einst einer der grössten Arbeitgeber der Region Solothurn: 1881 gegründet, beschäftigte die Fabrik in ihrer Blütezeit bis zu 1000 Angestellte. «Als der Betrieb 2008 eingestellt wurde, war dies ein grosser Schlag für die Gemeinde und die Region», erinnert sich Sandra Morstein, Gemeindepräsidentin der Standortgemeinde Riedholz (SO). Rund 400 Angestellte verloren ihre Arbeit. Für den Kanton Solothurn und die Gemeinde war klar: Diese grösste Industriebrache des Kantons ist von strategischer Bedeutung. 2016 wurde das Nordareal an das Immobilienunternehmen Halter AG verkauft, das die rund 500 000 Quadratmeter grosse Brache bis 2045 in ein neues Quartier mit rund 1400 Wohnungen und mehr als 1000 Arbeitsplätzen verwandeln will.

Freiraum und Zwischennutzungen

Bereits 2018 öffnete die Halter AG einen Teil des Attisholz-Areals für die Bevölkerung. Zahlreiche Zwischennutzungen verleihen ihm jetzt Farbe: Street-Art-Kunst, zwei Bistros, ein Spielplatz, eine grosse Eventhalle und eine Outdoorarena sowie weitere Räumlichkeiten, die gemietet werden können. Rund 400 Veranstaltungen finden pro Jahr statt. Dazu brauchte es einiges an Arbeit. «Bis 2016 war das Gelände unberührt. Alle Maschinen und Wertstoffe waren verkauft worden, zurück blieben die leeren Industriehallen», erzählt Sandra Morstein. Yanis Hofstetter, Projektleiter Entwicklung bei der Halter AG, ergänzt: «Wir wollten bewusste Interventionen tätigen, um das Areal nach mehr als 100 Jahren hinter verschlossenen Türen schrittweise für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen und somit ein erstes Lebensgefühl entstehen zu lassen.»

Yanis Hofstetter, Projektleiter Entwicklung bei der Halter AG, und Sandra Morstein, Gemeindepräsidentin Riedholz (SO) auf dem Attisholz-Areal.

Bistros wie die Kantine Attisholz beleben das Areal.

In den leeren Fabrikhallen sind noch Werkbänke zu sehen.

Das Attisholz-Areal ist direkt an der Aare gelegen.

Street-Art-Kunst bringt Farbe aufs Areal.

Wo einst riesige Tanks die Hallen füllten, sollen künftig Lofts entstehen.

Die Bevölkerung von Riedholz schätze das neue Kultur- und Restaurationsangebot an der Aare, sagt die Gemeindepräsidentin Sandra Morstein. In einer kleinen Gemeinde von knapp 2300 Einwohnerinnen und Einwohnern sei eine solche Infrastruktur nicht selbstverständlich. «Gleichzeitig erhöht die Zugänglichkeit die Akzeptanz für die weitere Entwicklung des Areals. Die Bevölkerung kann sehen, was entsteht.» Als die Teilrevision des Leitbilds 2017 der Gemeindeversammlung vorgelegt wurde, wurde es einstimmig angenommen. Bei der öffentlichen Auflage gab es gerade einmal drei Einsprachen, die in Verhandlungen gelöst werden konnten. «Die kontinuierliche Information und der Einbezug der Bevölkerung waren im Planungsprozess zentral.»

«Die kontinuierliche Information und der Einbezug der Bevölkerung waren im Planungsprozess zentral.»

Sandra Morstein, Gemeindepräsidentin Riedholz (SO)

Partnerschaftliche Zusammenarbeit

Dass das Attisholz-Areal bisher eine Erfolgsgeschichte ist, schreiben Morstein und Hofstetter auch der guten Zusammenarbeit zwischen der Halter AG, der Gemeinde und dem Kanton zu. «Wir tauschen uns regelmässig aus, kennen uns und setzen uns alle für eine optimale Entwicklung des Areals ein», sagt Yanis Hofstetter. Sandra Morstein ergänzt: «Wir haben uns am Anfang schon gefragt: Kommt das gut, eine so kleine Gemeinde und ein so grosser Investor?» Die Bedenken seien aber unbegründet gewesen, weil die Gemeinde Planungs- und Bewilligungsbehörde ist und die Zusammenarbeit von Anfang an sehr partnerschaftlich und transparent gewesen sei.

Bereits zu Beginn wurden klare Rahmenbedingungen geschaffen. In einer Entwicklungsvereinbarung wurde festgehalten, welche Partei für die Planung, Erstellung und Übernahme der Infrastrukturanlagen wie Strassen und öffentliche Plätze zuständig ist, und auch der Planungsprozess zur Integration der Gemeindeanlagen wie Schule und Kita wurde festgelegt. «Dies gibt Sicherheit für alle Seiten», sagt Yanis Hofstetter. «Eine Frage für uns war zu Beginn, ob das Projekt für die Gemeinde tragbar ist», sagt Sandra Morstein. Die Gemeinde habe durch die Umzonung des Areals in eine Wohn- und Mischzone aber eine erhebliche Mehrwertabgabe erhalten. Diese ist zweckgebunden für die Entwicklung des Areals und wird zum Beispiel für den Bau von Schulinfrastruktur eingesetzt.

«Die Entwicklungsvereinbarung gibt Sicherheit für alle Seiten.»

Yanis Hofstetter, Projektleiter Entwicklung, Halter AG

Ein Planungshorizont von mehr als 20 Jahren – das ist eine lange Zeit. Das Projekt ist in sieben bis acht Etappen aufgeteilt. «Das gibt uns die Flexibilität, Anpassungen vorzunehmen und zukunftsorientierte Denkansätze anzuwenden», sagt Yanis Hofstetter. «Die Gemeinde kann so entsprechend planen und schrittweise mitwachsen», ergänzt Sandra Morstein. 2025 sollen die Bauarbeiten für die ersten 280 Wohnungen beginnen, und 2027 werden die ersten Bewohnerinnen und Bewohner in das Attisholz-Areal einziehen.

Planung der Freiräume

Die Planung der Freiräume hat auf dem Attisholz-Areal einen grossen Stellenwert und war Inhalt des ersten Studienauftrages. Ein grosser Boulevard verläuft durch das Areal, der vielfältig genutzt wird. Dort finden sich eine Arena für Konzerte und Theater, Terrassen der beiden Bistrobetriebe sowie ein Spielplatz. Street-Art-Künstlerinnen und Künstler haben die grossen Freiflächen gestaltet.

Nadja Sutter
«Schweizer Gemeinde»
Chefredaktorin