Heute gibt es nicht nur das klassische Pflegeheim, sondern diverse Wohnformen für ältere Menschen.

Alterswohnungen und Bauzonen: Darauf kommt es an

06.08.2022
7-8 | 2022

Um den wachsenden Bedarf an Wohnungen für die ältere Bevölkerung zu decken, muss eine Gemeinde Raum zur Verfügung stellen – oft in Zonen für öffentliche Bauten. Doch das ist nicht in jedem Fall zulässig.

Der Bevölkerungsanteil der über 65-Jährigen in der Schweiz soll laut Bundesamt für Statistik (BFS) von heute 18 auf 27 Prozent im Jahr 2050 wachsen. Bis dahin wird sich die Zahl der über 80-jährigen Einwohner schweizweit verdoppeln, in einigen Gemeinden sogar verdreifachen. Es fragt sich, wo die ältere Bevölkerung dereinst wohnen soll.

Zone für öffentliche Bauten als Wohnorte?

In vielen Gemeinden sind Wohnlandreserven aufgrund des Wachstums der letzten Jahre knapp geworden. Ins Visier geraten zunehmend die Zonen für öffentliche Bauten und Anlagen (ZöBA), in denen Alterswohnungen untergebracht werden sollen. Die ZöBA sind allerdings für die Bereitstellung von Schulhäusern, Verwaltungsgebäuden, Sportanlagen und so weiter reserviert, die allesamt «zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben benötigt werden» (siehe als Beispiel § 60 Abs. 1 des Planungs- und Baugesetzes des Kantons Zürich, PBG).

Dazu gehören traditionellerweise auch Alters- und Pflegeheime. Ob die Trägerschaft öffentlicher oder privater Natur ist, spielt grundsätzlich keine Rolle. Entscheidend ist dagegen, dass die Anlage im Grundsatz für die Öffentlichkeit zugänglich ist. Wohnen gehört grundsätzlich nicht in eine ZöBA. Was gilt nun für das Alterswohnen? Gemeinden und Investoren müssen diese Frage frühzeitig klären.

Wohnformen im Wandel

Alterswohnen ist heute sehr breit gefächert. Was früher das Bürgerheim oder Altersheim war, ist heute die als «Seniorenresidenz» oder «Wohnen mit Service» bezeichnete Wohnanlage. Zunehmend wird die Abgrenzung zwischen dem privaten Zuhause und dem Heim aufgelöst. Hybride Wohnformen schalten sich dazwischen. Oft ist nicht eindeutig, inwiefern ein geplantes Wohnangebot öffentliche Aufgaben wahrnimmt.

Zeitgemässe Wohnformen bieten alterstaugliche Alterswohnungen für selbstständiges, privates Wohnen mit 2,5 oder 3,5 Zimmern an. Mieter können bei Bedarf Dienstleistungen à la carte beziehen. Private, aber teilweise organisierte Wohnformen laufen zum Beispiel unter dem Label «Generationenwohnen mit Pflegewohnen». So unterstützen freiwillige Genossenschaftsmitglieder Betagte im Alltag in ihren Mietwohnungen, und in derselben Siedlung bieten spezialisierte Institutionen Pflege in den Pflegewohngruppen an. Aus medizinischer Sicht kann jedoch der Umzug in ein klassisches Pflegeheim trotzdem notwendig werden.

Bei den beiden letzteren Wohnformen handelt es sich um institutionelles Wohnen, dem der Abschluss eines Pensionsvertrags mit dem Mieter zugrunde liegt. Betreiber müssen ausserdem höhere Anforderungen erfüllen als «normale» Vermieter.

Abgrenzung von privatem und institutionellem Wohnen

Diese Vielfalt erschwert bei Neubauprojekten die Einschätzung der Zonenkonformität. Hinweise zur Klärung liefern die Baugesetze. So sieht zum Beispiel das PBG des Kantons Zürich den Bau von Alterswohnungen ausdrücklich vor. Im Umkehrschluss ist jedoch davon auszugehen, dass herkömmliches Wohnen, also selbstständiges und privates Wohnen, selbst wenn es staatlich gefördert wird, grundsätzlich nicht öffentlichen Zwecken dient.

Anders sieht es aus, wenn Alterswohnungen in einem räumlichen und sachlichen Zusammenhang mit Alters- oder Pflegeheimen stehen. Zonenkonformität und damit die Bejahung der Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe kann gegeben sein, wenn ein Betriebskonzept vorhanden ist. Ein solches sieht zum Beispiel die Grundleistung durch die Spitex vor Ort, eine Notruf-Infrastruktur, hauswirtschaftliche Dienstleistungen und dergleichen vor.

Nebst einem Betriebskonzept ist auch eine Betriebsbewilligung und die dazugehörende Aufnahme in die kantonale Pflegeheimliste notwendig. Ob die Dienstleistungen in einem Altersheim im klassischen Sinn oder in einzelnen Wohnungen angeboten werden, dürfte für die Qualifizierung einer öffentlichen Aufgabe nicht relevant sein.

Voraussetzungen für öffentliches Interesse

Einige Kantone (z.B. AG, BE, LU, SG, ZG) stecken den Rahmen der Erfordernisse weiter. Indizien, die für die Annahme einer öffentlichen Aufgabe sprechen, sind unter anderem folgende:

–         Statuierung Mindestalter (zum Beispiel ü65) und Erfordernis des Wohnsitzes in der Gemeinde, ansonsten keine Einschränkungen

–         Schriftliche Fixierung (z.B. Anmerkung im Grundbuch, Festlegung im Gestaltungsplan)

–         Wohnungen sind hindernisfrei und so ausgestattet, dass Pflege bis Pflegestufe 5 (von 12) möglich ist

–         Die Alterswohnungen werden vermietet, nicht verkauft

–         Bewohnende können Dienstleistungen eines nahe liegenden Altersheims in Anspruch nehmen

–         Es liegt ein Betriebskonzept vor, unter anderem für Spitex-Dienstleistungen

Nicht erforderlich dagegen ist der detaillierte Nachweis eines Bedarfs für Alterswohnungen. Dies würde die Anforderungen überspannen, so das Aargauer Verwaltungsgericht in einem kürzlich ergangenen Urteil zu einem geplanten Projekt in Bergdietikon (AG). Auch der Einwand, der zu bebauende Ortsteil sei für den Standort eines Alterszentrums zu abgelegen und daher nicht geeignet, fand beim Gericht kein Gehör.

Vertiefte fachliche Abklärungen sind unumgänglich. Der rechtzeitige Einbezug zuständiger kantonaler Stellen schafft zusätzliche Planungssicherheit, auch wenn in der Regel die Gemeinde als Baubewilligungsorgan das letzte Wort hat. Gerade im Hinblick auf die demografischen Veränderungen gilt es, die ZöBA mit zukunftsgerichteten Wohnkonzepten neu und zonenkonform zu beleben.

David Fässler
Rechtsanwalt, M.B.A., CAS in Gerontologie, Geschäftsführer FRED GmbH, Strategie- und Bauherrenberatung Wohnen im Alter